Deutschland 2004: Unzufrieden und ärmer - Datenreport sieht wachsende Ungleichheit
Deutschland droht in den kommenden Jahren zunehmende Armut und wachsende Ungleichheit bei der Einkommensverteilung. Bereits jetzt sind die Bundesbürger immer unzufriedener mit ihren Lebensbedingungen und haben immer weniger Vertrauen in ihre soziale Absicherung und das Gesundheitswesen. Das zeigt der "Datenreport 2004", der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach geht es den Deutschen inzwischen nicht mehr besser als ihren Nachbarn, sondern sie sind im europäischen Vergleich in vielen Bereichen auf mittlere oder hintere Plätze abgerutscht.
Die Ungleichheit wächst Foto: Janika Hartwig |
Der seit 1983 alle zwei Jahre vorgestellte Datenreport erfasst die soziale Lage und das subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung in Deutschland. Erstellt wird er vom Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim. Die Ergebnisse deuten bei den Bereichen Einkommen und Armut eine Trendwende an: Nachdem der Anteil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, in Westdeutschland mehr als ein Jahrzehnt stabil war und in Ostdeutschland nur langsam stieg, zeigen für 2002 alle Indikatoren eine Zunahme der Armut. 2002 lebten demnach 13,1 Prozent der Deutschen in Armut, 2001 waren es 12,5 Prozent.
Tendenz zu Ungleichheit und Armut
Gleichzeitig wird die Einkommensverteilung immer ungleicher: Die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung erhielten 2001 nur noch 9,3 Prozent des gesamten Einkommens gegenüber 9,7 Prozent im Vorjahr. Zudem sind in Ostdeutschland elf Prozent und im Westen sieben Prozent der Haushalte von Überschuldung bedroht. Einzeln betrachtet sei dies noch keine dramatische Entwicklung, hieß es in einer Stellungnahme von WZB und ZUMA. Insgesamt zeige sich aber eine Tendenz zu einer von zunehmender Ungleichheit und Armut gekennzeichneten Gesellschaft, was die inzwischen eingeleiteten Reformmaßnahmen für die Sozialsysteme noch verstärken würden.
Doch schon vor den Reformmaßnahmen waren die Bürger im Jahr 2002 mit der sozialen Sicherung mit Abstand am wenigsten zufrieden. Insgesamt geht das subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung - die allgemeine Lebenszufriedenheit und Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der Lebensbedingungen - zurück. Dabei sind die Ostdeutschen bis auf das Thema Kinderbetreuung unzufriedener als die Westdeutschen, vor allem bei den Themen Haushaltseinkommen und Lebensstandard.
Ostdeutsche glauben weniger an die Demokratie
Alarmierend ist vor diesem Hintergrund die Einstellung der Ostdeutschen zur Demokratie: Mit 49 Prozent glaubte im Jahr 2000 nur knapp weniger als die Hälfte, dass die Demokratie in Deutschland die beste Staatsform sei - bei den unter 35-jährigen Ostdeutschen waren es sogar nur 45 Prozent. Von den Westdeutschen stimmten immerhin 80 Prozent dieser Aussage zu. Zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland waren im Jahr 2000 nur 38 Prozent der Ostdeutschen gegenüber 60 Prozent der Westdeutschen.
Drei Jahre später stieg die Zahl der zufriedenen Westdeutschen auf 66 Prozent, bei den Ostdeutschen sank die Zahl auf 32 Prozent. "Es trifft nicht mehr länger zu, dass es den Deutschen besser geht als den meisten anderen Europäern", erklärte Roland Habich vom WZB. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt war 2002 bei den damals 15 EU-Ländern nur in Spanien, Griechenland, Finnland, Italien und Frankreich schlechter als in Deutschland. Das Vertrauen in Gesundheitswesen und Sozialversicherung ist in Deutschland derzeit deutlich geringer als in den meisten EU-15-Ländern. Und weniger zufrieden als die Deutschen mit ihrem Leben insgesamt sind nur noch Italiener, Franzosen, Griechen und Portugiesen. Außerdem gehört Deutschland zu der Minderheit der EU-15-Länder, in denen weniger als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung mit ihrer Gesellschaft zufrieden ist.
Positive Nachrichten gibt es immerhin von den Rentnern: Diese sind mit der sozialen Sicherung wesentlich zufriedener als die noch arbeitende Bevölkerung, und auch ihre Lebenszufriedenheit sinkt selbst im hohen Alter nur unwesentlich. Einbußen der Lebensqualität sehen sie hauptsächlich bei ihrer Gesundheit. Dagegen konnten sie ihre Einkommenssituation im vergleich zu den Jüngeren in den vergangenen 20 Jahren verbessern - vor allem im Osten, wo sie klar zu den Gewinnern der Nachwendezeit gehören.
Quelle: http://www.n24.de/ (Stand vom 25.08.2004)