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ArmutszeugnisseStudierende der Alice-Salomon-Fachhochschule stellen Internet-Seite mit Lebensgeschichten Betroffener vorVon Andrea Puppe "Als ich geantwortet habe, nein, wir haben für diesen Monat kein Geld mehr, fragte mich meine Tochter tränenüberströmt: ,Mama, sind wir jetzt arm, haben wir wirklich kein Geld mehr für Essen?'" Dieses Zitat stammt von einer allein erziehenden Mutter zweier Kinder aus Berlin. Dokumentiert ist es auf der Internetseite www.armutszeugnisse.de, die heute von Studierenden an der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit vorgestellt wird. Das Dokument entstand im Rahmen eines zweisemestrigen Werkstatt-Seminars mit 60 Studienanfängern. "In den so genannten Werkstätten geht es darum, die Studierenden möglichst früh mit der Lebenswelt der Adressaten sozialer Arbeit zu konfrontieren", sagt die Dozentin des Seminars, Susanne Gerull. Die Studienanfänger würden auf diese Weise für ihre spätere Arbeit sensibilisiert und könnten gleichzeitig zu einem frühen Zeitpunkt überprüfen, ob das gewählte Studium tatsächlich das richtige für sie ist. Die Studierenden der Fachhochschule bekamen die Aufgabe "teilnehmend zu beobachten", also Menschen, die sie als "arm" erachteten zu finden und möglichst ohne zu interpretieren aufzulisten, was sie sehen. In einem zweiten Schritt wurden Interviews mit "armen" Menschen geführt. Die "Armutszeugnisse" wurden dann von einer Redaktionsgruppe bearbeitet und auf einer von der Agentur "3000 solutions" gesponserten Homepage veröffentlicht. "Uns geht es auch darum zu zeigen, dass Armut ein mehrdimensionaler Begriff ist und dass Menschen und ihre Schicksale dahinter stehen, nicht nur Zahlenkolonnen und Statistiken", sagt Susanne Gerull. Nach dem Armutsbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus dem Jahre 2000 gilt jeder elfte Bundesbürger als arm. In der Hauptstadt ist es nach dem 2002 von der Senatsverwaltung für Soziales herausgegebenen Armutsbericht jeder achte Berliner. "Nach den vom Statistischen Landesamt fortgeschriebenen Zahlen für 2003 betrifft das Thema inzwischen sogar jeden siebten Menschen in Berlin", sagt Susanne Gerull. Die Texte der Studierenden machen nachdenklich. Etwa das Interview mit dem 40-jährigen "Götz" vom Görlitzer Bahnhof. Früher arbeitete er auf dem Bau, dann begann er zu trinken. Einen Tag nach dem Interview mit den Studierenden wird "Götz" tot in einem Gebüsch am Görlitzer Bahnhof aufgefunden. "Wir wollten mit der Homepage allerdings nicht nur Elend aufzeigen", sagt die Dozentin. Es gebe auch Menschen, die mit ihrer "Armut" gut klarkämen. Die Bewohner der Wagenburg Lohmühle etwa haben ihre Lebensform eben als Alternative zu anderen Lebenskonzepten genau so gewählt. Die Studierenden trafen Menschen, die ihnen gern ihre Lebensgeschichte erzählten. Wurden aber auch als Voyeure abgelehnt. "In der Suppenküche der Franziskaner wurde ihnen klar gemacht, dass man sie als störend empfand", berichtet Susanne Gerull. Die Seite ist auch als Einladung zu verstehen. Als Einladung, ein eigenes Armutszeugnis zu schreiben und sich mit dem Armutsbegriff auseinander zu setzen. "Erste Rückmeldungen haben wir schon bekommen", freut sich die 42-jährige Susanne Gerull. Die Homepage kann auch den Blick schärfen und Anregung dafür sein, vielleicht einmal den obdachlosen Menschen an der Straßenecke einfach anzusprechen und nicht wie üblich den Kopf abzuwenden. Armut im Netz Quelle |
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